2006 Syrien

Reisetagebuch: Yvonne & Phil in Syrien


in_der_wueste Vom 9. bis 29. Juli 2006 bereisten wir die arabische Republik Syrien von Norden nach Süden. Ursprünglich wollten wir am Ende der Reise auch noch den Libanon besuchen und dort ein paar gemütliche Tage am Meer verbringen. Daraus wurde aber leider nichts, da bekanntlich der Libanon von Israel in einen Krieg verstrickt wurde – traurig und sinnlos… So blieb uns aber etwas mehr Zeit, um Syrien und seine Bewohner zu entdecken.

Unterwegs schrieben wir in einem Blog Reiseberichte und teilten so unsere Erlebnisse und Eindrücke
mit unseren Freunden und Familien zu Hause. Diese Berichte sind hier in chronologischer Reihenfolge enthalten.

Falls jemand Fragen hat (vielleicht weil ihr selbst eine Reise in dieses faszinierende Land plant), kann man an post (ätt) philhofstetter.ch schreiben.



Übersicht über die Blog-Einträge:

Syrien wir kommen! (Entlebuch, 09. Juli)

Gluecklich, gsund und gfraesig… (Aleppo, 11. Juli)

Wir verlassen Aleppo (Aleppo, 13. Juli)

Zu Gast beim armenischen Architekten (Lattakia, 14. Juli)

Der naechste eintrag kommt schon bald… (20. Juli)

Das Mallorca von Syrien (Ra’s al-Basit, 21. Juli)

Zurueck in der Stadt (Hama, 22. Juli)

Die Wueste lebt und wir Schoenen auch (Palmyra, 24. Juli)

Von Wasserpfeifen, Taxifahrern und Rinderlungen… (Damaskus, 28. Juli)

Wir sind wieder da! (Entlebuch, 30. Juli)



Syrien wir kommen! (Entlebuch, 09. Juli)

packen


Es geht los!

Die Auslegeordnung muss jetzt noch vom Bett in den Rucksack und dann starten wir schon Richtung Zürich. Von da
dann um 20:45 mit der ungarischen MALEV nach Budapest und dann weiter nach Damaskus. Dort werden wir voraussichtlich (oder besser gesagt “inschallah”, wenn allah so will) um 03:25 eintreffen – also etwa dann, wenn wir sonst vom Ausgang zurückkommen 😉

Falls ihr uns etwas sagen wollt – hinterlasst doch hier einen Kommentar oder schreibt uns ein mail – die Adressen kennt ihr ja…

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Gluecklich, gsund und gfraesig… (Aleppo, 11. Juli)


Nach dem Flug von Zuerich nach Budapest und von dort weiter landeten wir um halb vier uhr morgens puenktlich und totmuede in Damaskus. Dort entschlossen wir uns, direkt weiter nach Aleppo (im norden von syrien) zu fliegen. Erstaunlicherweise war der ticket-schalter der “syrian arab airways” auch mitten in der nacht offen, so dass wir ein ticket kaufen konnten (etwas ueber dreissig franken pro person…). Um sieben uhr morgens konnten wir dann endlich einchecken und kaum im flieger schliefen wir beide tief und fest. Vom kleinen flughafen in Aleppo gings in einer halsbrecherischen taxifahrt vorbei an eselskarren und muellhalden richtung zentrum. Der pilot setzte uns direkt vor dem hotel, das wir im reisefuehrer ausgewaehlt hatten, ab und wir standen ein erstes mal mitten im trubel dieser stadt.

Im hotel begruessten uns nebst einem fruehstuckenden englaender, der sich spaeter auf den weg zum zahnarzt machen wollte, ein komplett in rosarot (!) gehaltenes zimmer. wir schliefen uns durch die mittagshitze und begannen dann, die stadt und vorallem den gigantischen markt, den souq, zu erkunden. Bald stellten wir fest, dass touristen hier eine ausnahmeerscheinung sind: jung und alt drehen die koepfe nach uns um und es war uns schon ein wenig unangenehm, so aufzufallen. Andererseits sind die leute wahnsinnig freundlich: wer ein paar worte englisch oder franzoesisch kann, ruft sie uns nach (“hello, how are you? sit down!” quer ueber die strasse) und wir werden zum tee eingeladen, kleine kinder laufen uns nach und strahlen und von ueberall her toent ein “welcome!”. Vorhin mussten wir sogar fuer ein handy-foto posieren…

Auch heute waren wir wieder in den chaotischen und undendlich grossen souqs unterwegs. In diesen teilweise ueberdachten laden-viertelen gibt es einfach alles zu kaufen, was man sich vorstellen kann. Von schmuck ueber gmuese und fleisch, kleidern, spielwaren, kochgeschirr, haushaltsartikel, weihnachtsdekoration, schuhe usw. Man ist umgeben von handelenden und diskutierenden menschen und unzaehlige gerueche schleichen sich in die nase, dazu arabische musik und fuenf mal am tag das gebet des muhezins aus den grossen minarett-tuermen, welche die stadt ueberragen – all dies eingebettet in ein riesiges hupkonzert von uralten autos aller art.

morgen werden wir mit einem chauffeur, den der hotel-receptionist “am chef vorbei” fuer uns organisiert hat, die umgebung von aleppo und die “toten staedte” erkunden, uebermorgen machen wir uns dann vermutlich auf zum meer…

fazit: muede aber gluecklich, gsund und gfraesig!

m’a salaam!

yvonne & phil


orangenjus teeverkauefer


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Wir verlassen Aleppo (Aleppo, 13. Juli, p)

Heute morgen erfuhren wir von Kathle via sms, dass die israelische Armee den Flughafen von Beirut beschossen hat. Diese Nachricht hat uns ordentlich erschreckt und deshalb sind wir jetzt wieder im Internet-Cafe. Wir hatten uns schon gewundert, wieso die Syrier gruppenweise um die vor manchen Laeden laufenden Fernseher gestanden hatten – verstehen konnten wir natuerlich nichts, weil die Sender alle in arabisch sind.

Wie geplant werden wir heute auf der (laut Reisefuehrern wunderschoenen) Eisenbahnstrecke nach Latakia weiterreisen. Dieser Hafenort liegt im Norden von Syrien und sei einer der fortschrittlichsten und offensten des Landes. Wir hoffen, dort einen schoenen Strand zu finden und bleiben so in einiger Entfernung vom Libanon, nahe an der Tuerkei.

Gestern waren wir mit einem Taxi in der Umgebung von Aleppo unterwegs und besichtigten so verlassene Staedte aus vorchristlicher Zeit und das Simeons-Kloster. Es ist sehr eindruecklich, wie viel von dieser fast 2000 Jahre alten Kirche noch bestens erhalten ist.


auf_dem_land simeonskloster


Nach der Siesta suchten wir ein im “LonelyPlanet” empfohlenes Falafel-Restaurant und wurden dort aufs herzlichste empfangen: der alte Mann, der die Jetons fuer das Essen verkauft, schenkte uns gleich das ganze Menu und zog uns allen anderen wartenden Kunden vor, der Sohn sprach etwas Englisch und wollte sofort wissen, wieviele Kinder wir denn haetten…


beim_falafel-haendler


Hier helfen meistens die Jungs und Maenner aller Generationen im Geschaeft der Familie, der Aelteste kassiert ein, die Juengeren backen und kochen und handeln und die Kinder werden zum verpacken der Produkte und zum Tee holen “eingesetzt”. Ueberall freuen sich die Leute, wenn Auslaender vorbeikommen und wollen immer wissen, woher wir kommen und ob wir Kinder haben – von sprachlichen Barrieren lassen sie sich dabei nicht aufhalten.

Auch sorgen unsere Digitalkameras immer wieder fuer Aufsehen, bereits zwei mal stellten sich einfach so junge Maenner ins Bild und forderten uns auf, sie zu fotografieren!

Am Abend schlenderten wir noch etwas durch die Stadt und tranken einen (scheusslichen) Kaffee auf der Terrasse des ehemals beruehmten und heute nur noch legendaeren “Hotel Baron”, heute soll es wie gesagt weiter gehen ans Meer.


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Zu Gast beim armenischen Architekten (Lattakia, 14. Juli, y)

Nachdem wir unsere Koffer gepackt und das rosarote Zimmer verlassen hatten, versuchten wir mehr Informationen ueber die Bombardierung von Beirut zu erhalten. Auf der Homepage des EDA war nichts (!!!) zu finden.

Im Internet fanden wir zwar Berichte ueber die Lage in Beirut, doch konnten wir nicht einschaetzen, was das nun fuer uns in Syrien bedeutete. Nach laengerem hin und her fanden wir schliesslich einen Telefonautomaten und versuchten, die Schweizer Botschaft in Damaskus zu erreichen. Leider ohne Erfolg… Waehrend wir etwas ratlos herumstanden, wurden wir zum ersten Mal von einer jungen Frau angesprochen. Sie sprach perfekt Deutsch, hatte in Deutschland studiert und war in Syrien zu Besuch. Wir fragten sie nach ihrer Meinung zur Lage im Nahen Osten und sie war ganz erstaunt, dass wir uns ueberhaupt Sorgen machten. Sie versichterte uns, dass in Syrien absolut sicher seien und keine Gefahr bestehe. Dieses zufaellige Treffen war Gold wert und beruhigte uns.

Aleppos Zitadelle (eine Burg, die laut Reisefuehrer alleine schon eine Syrienreise wert sei) stand nun auf dem Programm. Sie ist sehr gut erhalten und trohnt auf einem Huegel oberhalb der Stadt. Durch die erhoehte Lage geniesst man einen wunderbaren Blick ueber die ganze Stadt. Wir versuchten eines der vielen Taxis (sicher 70% des Verkehrs) zu kriegen, was uns jedoch nicht gelang. Sehr schnell erhielten wir Hilfe von zwei Studenten, welche nach ein paar Erklaerungsversuchen meinten: “You come with us.” So wurden wir im Taxi direkt zur Burg gefuehrt und durften nicht einmal etwas bezahlen dafuer! Unglaublich!


zitadelle aussicht von der zitadelle
aussicht von der zitadelle auf die stadt im suq von aleppo
vor der moschee von aleppo Bananenverkaeufer


Als naechsten Ort hatten wir Lattakia im Visier. Beim Busbahnhof waren wir natuerlich sofort wieder im Mittelpunkt. Wir wurden quasi in Empfang genommen und von einem hilfsbereiten Syrier zum naechsten gelotst, bis wir schliesslich im richtigen Buero standen um unsere Tickets zu kaufen (100 lira/Person fuer 3 1/2 Stunden Fahrt, was CHF 2.50 entspricht).

Nach dem Kauf der Ticktes wurden wir wieder von einem “Welcome, welcome!” rufenden Mann zum richtigen Bus gefuehrt. Dieses “welcome” heisst vermutlich neben seiner eigentlichen Bedeutung je nach Situation auch noch “Kommt mit.” und “Schaut einmal, ich habe Auslaender dabei!”

Kaum eine halbe Stunde unterwegs, musste der Bus aufgrund eines Platten anhalten. Alle Maenner (und ich) stiegen aus, um den Schaden zu begutachten. Phil war (wie meistens) sofort mit einem Mann in ein Gespraech verwickelt, ich wurde (wie meistens) ignoriert. Bei diesem aelteren Mann handelte es sich um einen armenischen Architekten.

Zwischen zwei weiteren Pannen (Keilriemen-Wechsel) machten wir Pause in einem kleinen Restaurant, wo uns der armenische Mann mit einem seeeeehr suessen und klebrigen arabischen Gebaeck eindeckte. Fein!


unterwegs nach lattakia unterwegs nach lattakia


Mit mehr als zwei Stunden Verspaetung trafen wir schliesslich in Lattakia ein, wo nach unserem Aussteigen spontan das Chaos ausbrach: Fast zeitgleich fragte uns naemlich ein Taxichauffeur, ob er uns zu einem Hotel fahren solle und der Armenier lud uns zu sich nach Hause ein. Das fuehrte zu einem sehr lautstarken Buhlen um unsere Gunst und heftigen Diskussionen auf Arabisch und war fuer uns “oeppe gar ned lustig”. Es mischten sich immer mehr Leute ein und alle redeten entweder in gebrochenem Englisch oder in Arabisch (hae?) auf uns ein.

Ploetzlich entspannte sich die Situation ein wenig, und die Taxifahrer liessen uns in Ruhe, so dass wir ins Taxi des Armeniers steigen konnten. Spaeter erfuhren wir, dass der Armenier dabei gewesen war, die Polizei zu rufen und so die aufdringlichen Taxifahrer vertrieben hatte.

Der Armenier nahm uns mit sich nach Hause, bezahlte das Taxi, richtete uns in seiner Wonung, welche gleichzeitig sein Buero und eine Werkstatt war, ein Gaestebett ein, tischte uns einen Hamburger mit Pommes (im Hamburger integriert!) und viele verschiedene andere Gerichte (Linsen-Eintopf, Tomaten, Oliven, Kaese, Pepperoni, Gurken…) auf.

Gluecklicherweise haben wir ihn bei dieser Gelegenheit darueber aufgeklaert, dass wir kein Fleisch essen (“How can you live without meat?!”). Etwas spaeter hat er uns naemlich erzaehlt, dass er am naechsten Tag einen Hasen kochen werde, welcher “by accident” sein Leben habe lassen muessen. Jetzt erfuhren wir, dass er mit seinem Auro einen grossen Hasen ueberfahren hatte und, praktisch denkend wie er offenbar ist, den Hasen eingepackt, zu Hause in seine Einzeleteile zerlegt und in den Tiefkuehler gelegt hatte. Den Beweis hat er uns gezeigt, da lag der Hase zusammen mit ein paar Ruebli und anderem Gemuese tiefgekuehlt in einem Becken.

Nach dem Essen kamen wir in den Genuss von deutschem Fernsehen, duschten und verabschiedeten uns fuer zwoelf Stunden von dieser Welt. Am naechsten Tag weckte uns der gastfreundliche Armenier Hratch mit “It is twelve o’clock!”. Nach einem sogenannt tuerkischen Kaffee (sehr stark, mit Kardamon) machten wir uns auf, Lattakia zu erkunden. Viel zu sehen gibt es hier allerdings nicht. Zudem ist Freitag und somit eigentlich Sonntag, die meisten Geschaefte sind geschlossen.

Mit dem Minibus werden wir heute nach Ra’s al-Basit weiterreisen, wo der schoenste Strand Syriens zu finden sei. Na, da bin ich ja mal gespannt, ob mein Bikini zum Einsatz kommen wird, oder ob die Frauen wirklich in ihren schwarzen Kleidern baden. In diesem Fall waere fuer mich wohl mindestens ein T-Shirt angebracht.


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Der naechste eintrag kommt schon bald… (20. Juli)

wir waren ein paar tage am meer und somit weit weg von internet und computern – deshalb haben wir uns hier auch schon laenger nicht mehr gemeldet.

wir werden aber noch heute oder morgen probieren, einen weiteren teil unseres reiseberichtes hier zu deponieren und so zu erklaeren, wo wir denn waren und weshalb wir jetzt wieder die “ruhe der stadt” geniessen…

inzwischen sei hier schon mal unser erinnerungsfoto vom besuch beim armenier Hratch gezeigt:

zu besuch bei hratch


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Das Mallorca von Syrien (Ra’s al-Basit, 21. Juli, y)

In Ra’s al Basit angekommen, waren wir beeindruckt und etwas ueberrascht vom enormen Betrieb! Der Ort erstreckt sich ca. 3 km rechts und links einer Strasse, welche parallel zum Meer verlaeuft. Auf der Strasse flanierten wahnsinnig viele Leute (Syrier in den Ferien, nur einmal haben wir zwei andere Auslander gesehen) und rechts und links reihte sich ein Geschaeft an das naechste. Dieses Gemisch aus Froehlichkeit und Ausgelassenheit (ohne Alkohol, natuerlich), lauter Musik, klatschen, singen, trommeln, essen, Wasserpfeife rauchen… sollte uns die kommenden drei Tage begleiten.

Wir wussten nicht, wo wir den Microbus verlassen sollten. Das und die Tatsache, dass wir den Fahrer nicht einfach mal so fragen konnten fuehrte dazu, dass wir schlussendlich noch die einzigen zwei Fahrgaeste waren und der Fahrer sich irgendwann ein wenig irritiert nach uns umdrehte. Mit Zeichensprache machten wir ihm klar, dass wir ein Hotel suchten.

Danach ging alles sehr schnell: Wir wurden ausgeladen und direkt ins naechste Geschaeft eingeladen, mussten uns setzen. Unterdessen arbeiteten die sprichwoertlichen syrischen Beziehungen fuer uns: Jeder kennt hier fuer jedes Problem irgend jemaden und es wird sofort organisiert. So ging es nicht lange und wir durften mit zwei Herren ein sogenanntes Chalet besichtigen gehen, was so viel wie eine kleine Ferienwohnung fuer Araber ist. Dass vis a vis ein Vergnuegunsgpark war, fiel uns da noch nicht auf…


vergnuegungspark vis a vis fruehstueck vor dem chalet


Spaeter spazierten wir ein wenig durch den Ort, auf der Suche nach einem Joghurt (Entzugserscheinungen). Da sich dieses Unterfangen jedoch als sehr schwierig herausstellte, kauften wir kurzerhand zwei Heineken und setzten uns an den Strand. Schoen! Meer! Juhui!


einkaufen Eine weitere spontane Bekanntschaft – und schon waren wir Stammkunden und konnten keine Wasserflasche mehr kaufen, ohne dass es  gleich Kaffee oder Kirschen gab.


Ein kleines Erfolgserlebnis in Sachen Verstaendigung sei hier noch erwaehnt: Phil und ich haben einen Sparschaeler gekauft – in Zeichensprache!

Eingeschmiert mit Sonnencreme und und voller Vorfreude gingen wir am folgenden Tag nach einer seeeeeeehr lauten Nacht (Vergunegunsgpark bis morgems um 4.00 Uhr) an den Strand. Die Hoffnung auf Bikini wurde kleiner, je mehr wir vom Strand erblickten: Waehrend die Maenner wie bei uns in den Badehosen herumhuepfen, gehen die Syrierinnen doch tatsaechlich mit der ganzen Montur ins Wasser, inklusive Kopftuch! Gut, alles andere waere ja auch unlogisch (sich das ganze Jahr verhuellen und dann im Urlaub im Badekleid herumstolzieren). An dieser Stelle seien auch mal die Plastikstuehle erwaehnt, welche uebrall in Syrien eine ganz zentrale Rolle spielen. Am Strand bewahren sie die Syrierinnen davor, sich mit Sand zu parnieren.


schleier statt bikini


Vielleicht koennt ihr nachvollziehen, dass ich keine Lust hatte, einmal mehr im absoluten Mittelpunkt zu stehen, und das fuer syrische Verhaltnisse sozusagen nackt (das heisst: in Badekleid und T-Shirt). So suchten und fanden Phil und ich ein ruhigeres Plaetzchen, etwas ausserhalb. Schockierend war hier aber, wie schmutzig der Strand war. Grundsaetzlich machen sich die Syrier (leider!) nicht viel aus Abfallentsorgung.

Das Wasser aber war HERRLICH! Klar, tuerkisblau, sauber, nicht mal so kalt.

Nach einer weiteren lauten Nacht fanden wir am folgenden Tag einen Traumstrand. Dieser Fund veranlasste uns dazu, den Aufenthalt in Ra’s al Basit um einen Tag zu verlaengern.

Man stelle sich vor: Eine einsame Bucht, Sandstrand, Sonne, und absolute Ruhe!


endlich eine bucht fuer uns


Doch, was war das? Ein Ausflugsschiff naeherte sich der Bucht, die Musik wie immer laut aufgedreht. Aber anstatt, wie schon oft beobachtet, vor der Bucht Kehrt zu machen, steuerte es doch direkt in die Bucht! Nein! Eine Frau rief mir etwas zu und deutete, so moechte ein Foto machen. Ich schwamm hin, wodurch mein Badekleid fuer grosse Heiterkeit sorgte. Ich machte der Frau klar, dass ich ganz sicher nicht auf das Boot kommen wuerde. (Man stelle sich vor, ich im Badekleid und alle anderen angezogen und mit Kopftuch!)

Ich habe langsam den Verdacht, dass die Syrier das mit dem “Nicht verschleiert sein” irgendwie falsch deuten. Fuer sie bedeutet das anscheinend, dass wir Europaeerinnen extrem freizuegig sind und kein Problem haben, uns zu zeigen und somit zB auch angestarrt werden duerfen.

Das naechste, was ich sah, war, dass das Boot Richtung Strand fuhr, ein Mann ausstieg, Phil die Hand schuettelte und wider zurueck ging.

Ich atmete aber zu frueh auf. Als ich aus dem Wasser stieg, wurden unter den lautstarken Anweisungen der oben erwaehnten Frau sofort alle Kinder an Ufer gebracht, um mit mir fuer ein Foto zu posieren. Ich kam mir langsam vor, wie eine Ausserirdische, wirklich! Schnell zog ich mir ein T-Shirt ueber. Nach den Kindern folgten die Maenner. Da die Frauen nicht an den Strand gelangen konnten (sie waeren sonst ja nass geworden…), wurde ich gebeten, doch aufs Boot zu kommen. Mit einem Tuch um die Huefte und Phil als Eskorte machte ich ihnen den Gefallen. Die Stimmung schaukelte sich immer mehr hoch, es wurde geknipst, gelacht, posiert, Kameras herumgereicht. Die kleinen Kinder wurden waehrenddessen am Strand vergessen… Als der Kapitaen dann noch die Musik wieder laufen liess, wurden das “Indianergeheul” (machen die Frauen aus Freude) gerufen, schon standen kurzerhand einige auf, tanzten und klatschten. Bald tanzten auch Phil und ich, nicht ganz freiwillig… So viel Rummel! Meine Gefuehlslage bewegte sich irgendwo zwischen Unglaeubigkeit, Belustigung, Peinlichkeit, Unangenehmheit und Neugier.

Als alles vorbei war, wurden wir von drei Soldaten in Beschlag genommen. Sie hatten schienbar ihren freien Nachmittag. Zwar sprachen sie kein wort Englisch, redeten dafuer aber umso ausdauernder Arabisch auf uns ein.

besuch vom ausflugsschiff und schon wieder neue freunde


Dann endlich: Schnorcheln war angesagt, fuer mich das erste Mal mit Abtauchen! WUNDERSCHOEN! Ich sah kleine Fische (und bemerkte ein wenig beunruhigt, dass ich langsam aber sicher an Paranoia leide, auch die guckten mich meiner Meinung nach naemlich ganz interssiert an). Spaeter entdeckte ich wunderschoene Fische in den schoensten Farben, tuerkis und regenbogenfarbig, ausserdem viele Muscheln und Schnecken, Seeigel, zwei Quallen (schimmerten violett im Wasser), “Seeraupen”…

50 min kamen mir wie 10 vor und so schlossen wir unseren Aufenthalt in dem kleinen Badeort mit einem grossen Highlight ab!


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Zurueck in der Stadt (Hama, 22. Juli, p)

Mit Minibus und Car reisten wir am Dienstag (18. Juli) via Lattakia nach Hama. Dies ist die drittgroeste und konservativste Stadt Syriens – letzteres merkt man vor allem daran, dass hier besonders viele Frauen komplett verschleiert unterwegs sind. Beruehmt ist Hama fuer die grossen Wasserraeder aus dem 13. Jahrhundert. Diese dienten dazu, Wasser aus dem Orontes in die Aquaedukte zu heben und tun dies – den Touristen zuliebe – auch heute noch, und zwar mit einem lauten Knarren. Die Raeder sind ueber 20 Meter hoch und wirklich beeindruckend.


eines der beruehmten norias von hama


Die Raeder und einen Teil der Altstadt besichtigten wir noch am selben Abend. Vor einem alten Haus mit bunten Glasfenstern posierten wir fuer ein Foto, als ein Mann die Tuer oeffnete und uns erklaerte, es handle sich hierbei um eine alte Moschee. Wir durften – mit ausgezogenen Schuhen – so zum ersten Mal eine Moschee von innen besichtigen. Und waren schockiert: der Hang der Syrer zu Kitsch aller Art macht sogar vor diesen heiligen Raeumen nicht halt und so surren nebst Klimaanlagen gruene Neonroehren bei den “Seitenaltaeren”! Diese gruene Beleuchtung ist auch an den Minaretten angebracht (siehe Foto).


hama by night


Am Mittwoch fuhren wir in einem Minibus des Hotels – zusammen mit zwei weiteren Paerchen aus Italien und Amiland – zum “Krak des Chevaliers”. Diese gigantische Kreuzritterburg ist eine der beruehmtesten Sehenswuerdigkeiten Syriens und thront stolz inmitten der fruchtbaren Berge, die das Kuestengebiet von der Wueste trennen. Ein quirliger Fuehrer begleitete uns durch die eindrueckliche Anlage, in der bis 1936 sogar noch die Bauern aus der Umgebung hausten (O-Ton des Guides: “And then, before, il y’a the Francais coming and say people go out. For Renovation of Castle.”).


krak des chevaliers


Von der holprigen Fahrt durch die Berge waren wir ziemlich muede. Zu dem hatten wir – ohne die Warnung im Reisefuehrer “expensive drinks and terrible food” zu beachten – im Burgrestaurant einen komischen Salat gegessen, was sich sofort raechte, weshalb wir bald an der Reception um WC-Papier-Nachschub betteln mussten… Bevor wir auf die Medikamente vom Dr. Portmann zurueckgriffen wagten wir eine Kur mit dem mitgeschmuggelten Traesch. Dies wirkte bei mir vorerst bestens…

Trotz allem besuchten wir am Abend ein vom Hotel empfohlenes Restaurant (wir erwarteten, dass es gemaess arabischem Geschaeftssinn einem Freund unseres Hoteliers gehoert, er besitzt es aber offenbar gleich selber). Das ziemlich edle Hotel ist in einem neu renovierten Herrenhaus untergebracht und man kann neben einem plaetschernden Brunnen im Innenhof oder auf der Dachterrasse aus speisen. Von letzterer aus hatten wir einmal mehr die Gelegenheit, einer einheimischen Familie beim dinieren zuzuschauen: da wird der Tisch mit allem gefuellt, was Karte oder Kueche hergeben und rundherum werden grosse Wasserpfeifen aufgestellt und dann wird stundenlang gemampft und gedampft…

Fuer gestern (Donnerstag) hatten wir eine Exkursion in die Wueste gebucht. Der vom Hotel organisierte Fahrer, kugelrund und lustig, brachte uns in einem wohl vierzigjaehrigen Mercedes (mehr Schiff als Auto) aus der Stadt, und waehrend die Landschaft immer karger wurde, berichtete er uns aus seinem Leben. Er war frueher Buschauffer, aber seine “Madame” wollte, dass er mit sieben Babys jeden Abend zu Hause schlafe und deshalb fahre er jetzt fuers Hotel und verdiene so nur noch 100 statt 200 Dollar… Unterdessen sahen wir gelegentlich Schafherden oder Beduinenzelte an den Fenstern vorbeiziehen.


im mercedes durch die wueste


Unsere Fahrt endete beim Qasr ibn Wardan, einer Burg mitten in der Wueste, von der nicht einmal die Wissenschaftler wissen, weshalb sie hier mitten im Nichts und nicht in einer Stadt steht. Waehrend der Fahrer “Mister Omar” mit dem Burg-Waechter beim Tee plauderte und sang erkundeten wir die eindrueckliche Kulisse mit unseren Kameras. Nach einem “jalla, jalla” (“hue, hopp” auf arabisch) von Mister Omar sanken wir wieder in die Federsitze der alten Kiste und machten uns so auf den Rueckweg, von Mister Omar fleissig mit Gebaeck und Geschichten ueber seine Familie eingedeckt.


qasr ibn wardan


Bevor wir wieder in die Stadt kamen stoppte Mister Omar noch in einem Bauerndorf und verschwand sofort wieder mit den Einheimischen zum Tee, waehrend wir die Gelegenheit hatten, die sogenannten Bienenwaben-Haeuser aus der Naehe zu betrachten. Diese speziellen Behausungen sind optimal auf das Klima hier angepasst und bieten Kuehle im Sommer und Waerme im Winter. Leider weichen sie immer mehr langweiligen Betonquadern und dienen heute hauptsaechlich noch als Huehnerstall oder Abstellkammer – oder eben kleine Touristenattraktion.


im bauerndorf


Im Dorf trafen wir nebst neugierigen Kindern noch auf den (englischsprechenden) Zahnarzt, der extra aus dem mehrere Stunden entfernten Homs angereist war. Doch bevor wir richtig mit ihm ins Gespraech kamen beorderte uns Mister Omars “jalla, jalla” wieder zurueck. Zum Abschluss gabs bei einer Bauernfamilie noch Tee mit frischer Minze (koestlich) und dann lieferte uns der Chauffeur wieder mitten im Chaos der Stadt ab.

Heute war Freitag und somit fuer Moslems Sonntag, deshalb passierte nicht viel und die Strassen wirkten etwas leergefegt. Es blieb Zeit zum Ausschlafen, Tagebuch schreiben und Erhohlen, bevor es morgen voraussichtlich wieder weiter geht. Ziel ist Palmyra, in der Wueste etwa auf halbem Weg vom Mittelmeer zum Irak, bevor wir dann unsere Reise schliesslich in Damaskus abschliessen werden.


lieferwagen a la syrienne


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Die Wueste lebt und wir Schoenen auch (Palmyra, 24. Juli, y)

Das orientalische Essen und meine Verdauung sind zwei Sachen, welche sich seit Hama nicht unbedingt gut vertragen. Somit beschlossen wir, uns zwei australischen Ladies mittleren Alters anzuschliessen und die Fahrt in die Wuestenoase Palmyra mit dem Taxi unter die Raeder zu nehmen. So konnten wir den Weg in der Haelfte der Zeit zuruecklegen (2 h). Vor dem Hotel wartete ein weisser Pontiac aus dem Jahr 1951 auf uns, welcher uns Damen sehr gefiel, bei Phil aber wahre Begeisterungsstuerme ausloeste.


pontiac 1951


Es folgte eine atemberaubende Fahrt durch die Wueste, kilometerweise einfach nichts als goldgelbes Gestein und Sand.

In Palmyra angekommen, setzten wir die zwei Ladies vor einem noblen Hotel ab, wir selber wurden zu einem Hotel gefuehrt, welches uns in Hama empfohlen worden war uns sich als sehr schoen, sauber und wegen der Nebensaison auch recht guenstig herausstellte.

Spaeter trafen wir in der Lobby auch die beiden Austalierinnen wieder. Sie hatten sich umentschieden, da sie in ihrem Hotel die einzigen Gaeste gewesen waeren.


tadmor, die stadt neben palmyra


Wie so oft wurden wir mit koestlichem Tee willkommen geheissen. Dabei vernahmen wir aus einer Ecke Schweizerdeutsch – ein nettes Paerchen aus Ittingen. Im Touri-Bus besuchten wir spaeter die Burg Qala’at Ibn Ma’n, von welcher wir den Sonnenuntergang sehen sollten. Wunderschoen, wie die Sonne verschwand, weniger schoen, wie sich ein Tourist an den anderen reihte, die Fotokamera vor dem Gesicht. In Palmyra haben wir innerhalb weniger Stunden mehr Touristen als in den vorangehenden zwei Wochen gesehen.

Auch auf der Strasse war deutlich zu spueren, dass wir uns in einem touristischen Ort befanden. Vorallem die Kinder (Jungs) waren sehr aufdringlich, wollten entweder irgend etwas an mir “omeweible” oder mit extremer Hartnaeckigkeit Postkarten verkaufen. Naja… Zum Glueck war nur der Anfang nicht so toll.

Am zweiten Tag (Happy birthday!) konnte ich Phil zu einer Kameltour ueberreden. Bevor es losging, feilschten wir so richtig und auch erfolgreich: Zwei Kamele fuer 1000 Lira anstatt 1400 und 1,5 Stunden anstatt 1h. Nicht schlecht, oder?


kamel auf kamel durch die ruinen blick auf die palmengaerten in der oase


Und los ging es! Palmyra ist eine Oase, welche frueher ein bedeutender Haltepunkt fuer vorbeiziehende Karawanen vom Mittelmeer nach Bagdad und Richtung Asien war. Aus dieser prachtvollen Zeit stammen auch die Ruinenfelder. Die weitlaeufigen Felder erkundeten wir bequem mit je einer KS (Kamelstaerke). Das Wuestenschiff war zwar etwas wackelig (dadurch die verwackelten Bilder). Eine roemische Saeulenstrasse, der riesige Baaltempel, der Tempel der Zenobia – alles wirklich sehr eindruecklich. Unglaublich, wie die Leute es mit einfachsten Mittlen geschafft hatten, wahre Kunstwerke zu bauen!


schoene in der wueste dschamal


Zurueck im Hotel, kuehlten wir uns ein wenig ab (Zitat Hotel-Juniorchef: “Your face is red like a tomato!”). Dabei bekamen wir zufaellig mit, wie eine der Australierinnen einen Ausflug in die Wueste plante und durften uns ihnen anschliessen.

Zu Viert kauften wir Suessigkeitenproviant (als Geschenk fuer die Beduinenkinder) ein und holperten danach los – ab in die Wueste. Die Wuestenlandschaft im Abendlicht faszinierte uns. Der Fahrer fuehrte uns zu einem Salzsee, dessen Ende wir am Horizont knapp abschaetzen konnten. Danach hielt er bei einer Art Bauernhof, wo Ziegen gemolken wurden und wir einige Kamele sahen.


blick auf zwei verliebte in der wueste auf der suche nach den beduinen


der abend kommt


Das Beste kam zum Schluss: Der Besuch bei den Beduinen! Es dauerte einige Zeit, bis der Fahrer sie ausfindig gemacht hatte, schliesslich ziehen sie ja auch heute noch regelmaessig um. Als wir dort ankamen, waren zwei Zelte, zwei Frauen und viele Kinder das Erste, was wir sahen. Der Fahrer stellte sicher, dass unser Besuch willkommen und Fotos erlaubt sind und uebergab die Suessigkeiten.


bei der beduinenfamilie


Ein Baby schrie und wurde von einer wunderschoenen, sehr jungen Frau im violetten Glitzerkleid beruhigt. Man sah ihr richtig an, wie stolz sie auf den Kleinen war. Es war ihr erstes Kind, Sad. Die andere, etwas aeltere Frau, hatte fuenf Kinder, von ca. 11 Jahren bis ca. 1 jaehrig.

Als wir vor dem Zelt auf einem Teppich beim Tee sassen, kamen auch die beiden Maenner retour. Mit ihnen eine Kamelherde von sicher hundert Tieren, alle weiss. Wie sich spaeter herausstellte, sind die Familien eine Art “Aelpler” auf Syrisch, das heisst, die Kamele gehoeren ihnen nicht, sie hueten sie nur.


many many many dschamals


Die Sonne ging unter und es war romantisch, im Freien zu sitzen, den suessen Tee zu schluerfen und zu plaudern. Der eine Beduinenmann zeigte sich sehr interessiert, wie es denn bei uns aussehe und wollte z.B. wissen, wie lange es bei uns Sommer/Winter sei und wie lange die Tage dann seien. Unser Fahrer betaetigte sich dabei als Dolmetscher. Auch gegenueber uns Frauen verhielt sich der Beduinenmann erstaunlich offen. Die Einladung zum Nachtessen lehnten wir nach Absprache mit den Austalierinnen ab. Es war bereits 20.30 Uhr und stockdunkel. Und wir als Vegis befuerchteten, Fleisch essen zu muessen, da eine Ablehnung sehr unhoeflich gewesen waere und die Erklaerung wahrscheinlich auch nicht verstanden worden waere.


abendstimmung


Im Finsteren holpertn wir zurueck nach Palmyra.

Nachdem die Hitze weg war, meldetetn sich unsere hungrigen Maegen. Das Nachtessen war der kroenende Abschluss dieses Tages. Auf einer Dachterrasse in einem Beduinenzelt, assen wir ein wunderbares Mahl, am Boden, auf Kissen sitzend.


essen wie die beduinen



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Von Wasserpfeien, Taxifahrern und Rinderlungen… (Damaskus, 28. Juli, p)


Der Montag (24. Juli) war wieder ein Reisetag: der Juniorchef unseres Hotels in Damaskus sorgte dafuer, dass wir den richtigen Autobus nach Damaskus erwischten – und am Busbahnhof unterstuetzten uns auch gleich alle anderen Anwesenden dabei… Waehrend etwa drei Stunden fuhren wir durch die Wueste, dabei verlangsamte der Fahrer zwischendurch das Tempo gerade so stark, dass ein Glaceverkaeufer durch die geoeffnete Tuere in den Wagen und mit geleerter Kuehlbox wieder hinaus springen konnte. Als die endlosen Sand- und Geroellfelder vor den Fenstern langsam von Hausern und kaputten Lastwagen abgeloest wurden und weit vorne die Gebirgszuege des Antilibanon sichtbar wurden, wussten wir, dass die am laengsten dauernd bewohnte Stadt der Erde vor uns liegt: Damaskus!


damaskus neustadt


Eine Horde schreiender Taxifahrer empfing uns in dieser Stadt – oder besser gesagt, zerrte uns fast aus dem Bus. Da wir aber unterdessen nur noch wie Touristen aussehen, uns aber durchschlagen koennen wie die Araber hatten wir schon bald wieder unsere Ruhe und konnten schliesslich mit dem Fahrer unserer Wahl die Preisverhandlungen aufnehmen. Offenbar waren wir dabei etwas zu erfolgreich, denn der Chauffeur liess uns danach noch etwa eine Viertelstunde im Wagen warten und suchte noch einen dritten Fahrgast, damit sich die Tour fuer ihn rentierte 😉

Inmitten des grossstaedtischen Chaos setzte er uns schliesslich auf die Strasse und wir gruben erst mal den Kompass aus dem Handgepaeck, um herauszufinden, ob wir denn auch in der Strasse sind, in die wir wollten. Mit Hilfe der auch hier sehr freundlichen und hilfsbereiten Syrer navigierten wir durch dunkle, enge Gassen zum Hotel. Dieses erwies sich als eine echte Perle; in einem alten Haus inmitten des Souq Sarouja am Rande der Altstadt gelegen empfing uns ein sehr freundlicher Chef samt Bruder und wir konnten uns im kuehlen und malerischen Innenhof vom Rummel in der Stadt und der Hitze erholen.


im innenhof des hotels al-ghazal


Den Rest unseres ersten Abends in Damaskus verbrachten wir hauptsaechlich mit Suchen, weniger mit finden: zuerst ein Internet-Cafe, spaeter ein Restaurant waren das Ziel. Das Internet-Cafe fanden wir mit Hilfe eines Mannes, der uns in perfektem Hochdeutsch ansprach (er hatte 12 Jahre in Deutschland gelebt), das Restaurant erreichten wir nie. Stattdessen wagten wir uns schliesslich resigniert ins Gartenbeizli des ***** Le Meridien, wo wir mit komischen Kaese-Omletten fuer ein halbes Vermoegen die leeren Maegen etwas fuellen konnten, bevor wir die vielen Kilometer zurueck ins Bett unter die Beine nahmen. Dabei setzte sich (nach einem mehrjaehrigen Unterbruch) Yvis Pechstraehne in Sachen verschluckt werden fort und nur illegales Haendchenhalten (oeffentliches Austauschen von Zaertlichkeiten zwischen Mann und Frau ist hier staatlich verboten) rettete sie vor dem Verschwinden in einem Syrischen Abwasserschacht!

Da wir am Dienstag bis nach Mittag geschlafen hatten suchten wir in der Stadt eine gemuetliche Ecke zum Zmoergele. Bis wir diese schliesslich gefunden hatten war auch schon bald vier Uhr Nachmittags. Spaeter wanderten wir ein erstes Mal durch den riesigen Souq, zuerst in der “Landi”-Ecke, wo Pferdehalfter, Schaufeln, Zaunpfaehle, Stahlrohre und Motorsaegen gehandelt werden, von da weiter zu den Kleidern (besonders beliebt sind Faelschungen von westlichen Marken, dabei darf auch mal etwas schief gehen und auf der Trainerjacke steht dann “Pmua” oder “adibas”) weiter zu Parfuemlaeden, in denen aus tausend Flaschen direkt nach Wunsch gemischt wird und dann vorbei an Gemuesen, Fruechten, Gewuerzen, Nuessen, Teigwaren und halben Kuehen bis zum Goldsouq, wo die Auslagen um die Wette glitzern und Vaeter die Aussteuer fuer die Hochzeit ihrer Toechter erfeilschen. Wie schon in Aleppo konnten wir uns der Faszination dieser endlosen Maerkte unmoeglich entziehen. Es gab so viel zu sehen und zu riechen, dass wir dabei ganz vergassen, etwas zu kaufen!


freundschaft mit dem gemuesehaendler parfumier junior
kitsch aus 1000 und einer nacht die aktuelle kopftuch-mode
yvi im souq von damaskus


Um etwas Ruhe inmitten dieses Getuemmels zu finden, besichtigten wir gegen Abend noch die Umyaden-Moschee, eines der wichtigsten Gebauede des Islam. Dazu musste Yvonne eine Art Kutte anziehen, denn Frauen duerfen nur “bedeckt” eine Moschee betreten. Die Kutten-Vermietung wurde wohl urspruenglich fuer Touristinnen eingefuehrt, wird mittlerweile aber auch von den Syrerinnen gerne genutzt, welche sich hier manchmal ziemlich westlich kleiden.


in der umayyaden-moschee


Nachdem wir an der Schwelle die Schuhe ausgezogen hatten, betraten wir den gigantischen Innenhof – und stellten fest, dass auch hier keine Ruhe herrscht. Unzaehlige Familien mit kreischenden und quaekenden Kindern fuellten den Hof und die Gebetsraeume, teilweise wurde in den Ecken sogar gepicknickt! Eine

Moschee scheint fuer die Moslems nicht nur ein Gebetsraum zu sein, sondern auch ein Ort, wo man sich trifft, diskutiert und die Kinder herumspringen laesst…


glasfenster im gebetsraum einer der gebetsraeume


Wir wanderten noch etwas durch die Altstadt und landeten schliesslich in einem Restaurant, welches im herrlich renovierten Innenhof eines alten Hauses eingerichtet wurde. Dort goennten wir uns Tee und Wasserpfeife und schlossen so den ersten Tag in dieser faszinierenden Stadt ab.

Am Mittwoch setzten wir unseren langen Entdeckungsspaziergang fort, wieder durch die Altstadt und wieder durch die schier endlosen Maerkte und es gab wieder einiges zu entdecken: In einem winzigen Spalt zwischen zwei Laeden hat sich ein Schuhmacher eingerichtet, der dort auf zwei Quadratmetern “Zoggeli” zusammennagelt, ein Tierpraeparator bietet nebst Jagdtrophaeen aus aller Welt auch ausgestopfte Woelfe, weihnaechtilch dekorierte Fuechse und einen Wasserpfeife rauchenden Hasen an, der Melonenhaendler schlaeft mitten in der Auslage, Jungen stossen Stoffballen auf Handwagen durch die Gassen und vor der Metzgerei haengen die Lungen bueschelweise an der Decke… Zwischendurch sorgten auch die Digitalkameras wieder fuer Aufregung und ein kleines Maedchen stellte sich sogar extra vor, um uns dann klar zu machen, dass wir sie gefaelligst fotografieren sollen. Im beruehmten Souq al-Hamidiyya, einer Art Hauptstrasse, schafften wir es diesmal sogar, uns durch den Menschenauflauf in die beste Gelateria der Stadt zu zwaengen und eine herrliche Glace zu erkaempfen – noch am Abend zuvor hatten wir nach fuenf Minuten draengen und quetschen resigniert…


geschafft beim stoffhaendler
take foto im suq rauchen sogar die hasen


Die Nacht verbrachten wir uebrigens auf dem Dach des Hotels – alle Zimmer waren fuer diese Nacht schon reserviert und deshalb richtete man uns unbuerokratisch zwei Matratzen auf dem Dach ein… Dabei kam die Sternenhimmel-Romantik etwas zu kurz, denn Damaskus bleibt auch in der Nacht eine laute Stadt – und geweckt wurden wir schon frueh am Morgen von der gleissenden Sonne und laestigen Fliegen.

Mit dem festen Vorsatz, nebst dem Staunen auch mal etwas zu kaufen wuehlten wir uns am Donnerstag Morgen durch das Verkehrschaos. Da und dort uebten wir uns in der Kunst des “Maertens” und bis wir schliesslich beim Wasserpfeifenhaendler auf Souvenirjagd gingen, waren wir schon recht geuebt in den orientalischen Verhandlungstaktiken. Ueber eine Stunde dauerte der Kaufe von zwei “Nargilehs” mit Zubehoer und sogar der Cousin des Haendlers vom Tabakladen vis-a-vis musste noch mitmischeln und uns schliesslich wieder zurueck in den Laden schleppen, nach dem wir diesen aus Protest (Preis zu hoch!) verlassen hatten 🙂


wasserpfeifen und zubehoer souvenir funktioniert


Lange sassen wir am Abend noch auf der Treppe in der Gasse hinter der Moschee und schauten dem bunten Treiben in den grossen Kaffeehauesern zu, spazierten danach durch die Altstadt in das etwas ruhigere Christen-Viertel, durch enge Gassen, die oftmals von Efeu ueberwachsen sind und unter den ausladenden Erkern der alten Haeuser. Die Haeuser in der Damaszener Altstadt sind wunderschoen – meist aussen eher unscheinbar sind die Innenhoefe wahre Paradiese, mit plaetschernden Brunnen, mehreren arkadenueberspannten Etagen, Galerien und bunt bemalten und verzierten Wandschraenken, welche bis an die hohe Decke reichen. Einige der Haeuser dienen heute als Restaurants und sind deshalb bestens gepflegt und auch zugaenglich.

Heute werden wir nach Mitternacht mit einem Taxi (der Preis bleibt noch zu verhandeln) an den Flughafen fahren und morgen zwischen sieben und acht Uhr in Zuerich landen – mit einem lachenden und einem weinenden Auge nehmen wir Abschied von diesem faszinierenden Land und seinen enorm freundlichen Bewohnern. Zuerst wagen wir uns jetzt aber noch mal ins Getuemmel und sind gespannt, wie viel die Stadt am Freitag (fuer Moslems der Sonntag) ruhiger wird – und wie das Christenviertel heute aussieht!

Bis bald in Entlebuch…

Yvonne & Phil


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Wir sind wieder da! (Entlebuch, 30. Juli)

Nach einer wunderschönen Zeit in einem faszinierenden Land und vor allem bei unglaublich netten, offenen und gastfreundlichen Menschen sind wir wieder zu Hause – es bleiben fast 1000 Fotos zu sortieren…


wieder im entlebuch



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